Print entschleunigt und macht glücklich

Warum ich mir zwei Zeitung-Abos leiste, obwohl ich sie online billiger lesen könnte

von Zaster Redaktion

Es ist Frühling 2019 und ich klicke auf „Bestätigen“. Ein paar Sekunden später kommt die E-Mail: „Wir freuen uns, Sie als Abonnenten begrüßen zu dürfen“. Ich kriege kurz Panik und denke „Julia, bist du blöd, warum hast du das jetzt gemacht, das sind ein paar Hundert Euro im Jahr für etwas, das du online billiger oder sogar umsonst bekommen kannst. Finde die Widerrufsbelehrung, NOW!“

Dann atme ich ein und ich atme aus und ich beruhige mich. Ich habe mir das sehr lange überlegt. Seit Jahren. Jedes Mal, wenn ich in einem Kiosk stand und mir die Print-Ausgabe einer großen Wochenzeitung gekauft habe. Wie fast jede Woche. Jedes Mal, wenn ich sie wie etwas sehr Wertvolles nach Hause trug und beim Lesen immer wieder dachte: „das ist aber ein toller Text, meine Güte.“

Ich bin jetzt Abonnentin. Ich habe eine sehr große Summe im Voraus bezahlt, um pünktlich am Donnerstagabend die Ausgabe, die am Freitag erscheint, im Briefkasten zu haben. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn ich habe viel mehr bekommen.

Allem voran habe ich mir im wahrsten Sinn des Wortes Zeit gekauft. Denn ich zwinge mich ein paar Mal die Woche, mich hinzusetzen und in Ruhe zu lesen. Nachzudenken. Eine Meinung zu dem, was ich da in der Hand halte, zu entwickeln. Ich lese die Artikel vom Anfang bis zum Ende. Ich klicke nichts weg, weil es nichts zu klicken gibt. Ich wische nichts weiter, ich lese keine Facebook-Benachrichtigungen, ich lese einfach nur und konzentriere mich.

Diese Stunden in der Woche sind heilig geworden. Sie bedeuten: Handy aus, Kopf an. Sie bedeuten, dass ich mir wirklich Zeit nehme und mir wieder so etwas wie Konzentration und Ruhe beibringe. Etwas, das ich in 10 Jahren Smartphone ziemlich verlernt habe.

Ich habe außerdem noch etwas anderes getan: ich habe mich dazu entschieden, diese Art von Journalismus zu unterstützen und zwar nicht bloß mit meinem Klick und somit indirekt mit Werbeeinnahmen, sondern ganz direkt mit meinem Geld.

Und genau so haben wir beide am Ende etwas davon: Ich nehme mir endlich die Zeit, nach der sich mein Kopf so lange schon gesehnt hat. Zeit für mich und Zeit, mal nur eine einzige Sache zu machen und nicht wie sonst, zwanzig gleichzeitig. Und ich trage mit dazu bei, dass Journalist*innen weiterhin solche Geschichten schreiben können.

Texte online zu lesen spart Geld. Das weiß ich. Ich weiß aber auch, dass ich meistens ständig abschweife, etwas markiere, verschicke, einen Screenshot an Freunde sende. Ich weiß, dass ich die meisten Texte nicht zu Ende lese und oft gar nicht mehr weiß, was ich da eigentlich gelesen habe.

Und so spart es vielleicht Geld, die digitale Ausgabe zu kaufen und es spart Ressourcen und es spart Verpflichtung und schlechtes Gewissen. Aber all das kann einem nicht schenken, was eine stille Stunde in der Küche, mit einem Kaffee und ein bisschen Musik und Geschichten aus der Welt, aus allen Teilen der Welt, einem schenken kann. Wie wertvoll sowas ist, muss jeder für sich entscheiden. Für mich jedenfalls ist es unbezahlbar geworden.

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Zaster Redaktion
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