Fashion Week

Talentlos auf die Titelseiten – Von der Sehnsucht der Superreichen

von Zaster Redaktion

Extrem reich, extrem unbekannt. Auch Milliardäre träumen von einem Leben im Rampenlicht des Ruhms. Kreativität kann man sich allerdings nicht kaufen. Scheinwerferlicht dagegen schon.

Die Fashion-Branche zieht viele Trittbrett-Fahrer an. Der Glamour, die Kleider, die Partys. Jeder möchte ein Stück davon abhaben. Dabei sein. Sich im Blitzlicht und der Schönheit sonnen. Model, Mode-Designer oder Fashion-Fotograf sind Berufe wie jeder andere auch – und doch irgendwie auch nicht. Jedenfalls ist der Drang für Außenstehende deutlich geringer, sich auf die Abschlussparty eines Zahnärzte-Kongresses zu mogeln, als auf einen Designer-Event während der Fashion Week.

Während also beispielsweise auf der Modewoche in Paris, die diesen Monat mit den Haute Couture Schauen für die Spring/Summer Damenmode 2019 endet, tausende von Hobby-Fotografen (neuerdings nennen die sich übrigens Street-Style-Fotografen, was ein bisschen das „Facility Manager“ der Fashion-Industrie ist), Mädchen, die sich für Models halten, Fans, Neugierige und Selfie-Jäger, die dringend noch ein Bild von sich mit Kaia Gerber brauchen, vor den Shows, Events, Parties und Défilés in der unerfüllten Hoffnung rumhängen, irgendwie Einlass gewährt zu bekommen, gibt es eine Kategorie von Menschen, für die das nicht gilt, obschon sie mit der Modewelt eigentlich auch nicht mehr zu tun haben, als der 17-Jährige, blasse Junge aus der Vorstadt, der die alten Trainingsjacken seine Vaters im Keller gefunden hat, sie mit knallgelb gefärbten Haaren und einer übergroßen Sonnenbrille kombiniert und sich dann Fashion-Blogger nennt, weil er das erste Mal „Balenciaga“ richtig geschrieben hat.

Die Haute-Volée der Haute Couture

Diese Kategorie nennen wir in der Branche „RFJ“s. Rich Fame Junkies. Offizielle Mode-Events sind voll mit ihnen. Es gibt sie in allen Altersklassen (nicht nur in sehr alt, sehr übergewichtig, sehr übergriffig und sehr ekelig) und aus jedem Land der Erde. Viele Fashion-Events, insbesondere während der Couture-Schauen, sind so exklusiv, das nur eine sehr überschaubare Anzahl von Gästen eingeladen wird. Die Koryphäen der Branche, ein paar Promis, ein paar Supermodels, sehr ausgesuchte Vertreter der Presse, handverlesene Groß-Sponsoren, Künstler Star-Fotografen, ein paar der größten Agenten von Agenturen, einige Top-Designer, das wars. Und dann noch die oftmals auffällig extrovertiert auftretenden Superreichen.

Um die geht es mir heute. Sie tummeln sich auf internen Fashion Weeks und den Top-Parties und Dinner-Abenden, deren Einladungen so exklusiv und beliebt sind, dass jedes wirkliche Mitglied der Fashion-Branche dafür töten würde. Events, für die man eine Einladung erhält, die opulenter gestaltet ist, als so manches Abendkleid, auf der mit schwungvoller Schönschrift handschriftlich der Name verewigt ist und in der man gebeten wird, sie nicht auf Social Media Plattformen zu teilen, um Nachdrucke und Replikate zu vermeiden.

Kids are rich. But unseen.

Während auf den Platzkärtchen der Gäste normalerweise auch ihr Beruf steht („Giselle Bündchen / Model“ oder „Rankin / Photographer“), steht bei ihnen nur der Name. Das macht sie zum einen mysteriöser, zum anderen wichtiger. Berufslos sind auf diesen Events gewöhnlich nur eine Handvoll Mega-Koryphäen, die man nicht mit dem Eindruck beleidigen möchte, man ging davon aus, irgendjemand auf der Welt kenne sie nicht. Bei Anna Wintour etwa findet man den Zusatz „Editor in Chief VOGUE US“ üblicherweise nicht. Das wäre auch so, als würde man in seinem Handy beim Eintrag „Mama“ neben der Handynummer noch vermerken „die Frau, die mich geboren hat“. Oh, das passt gut, denn irgendwie hat Anna Wintour uns ja alle geboren. Jedenfalls die, die mit der Fashion-Branche zu tun haben.

Bei diesen Superreichen jedoch steht auch nichts. Gut, es wäre vielleicht auch irgendwie eigentümlich, stünde dort dann „Oligarch“, „dubios Milliardär geworden“, „Privatier“ oder „sehr reich geerbt“. Womit wir beim Thema wären. Sehr reiche Menschen haben oft ein Ego-Problem. Sie können sich alles kaufen. Jede Villa, jeden Sportwagen. Sie trinken Weine, teurer als die durchschnittlichen Monatsgehälter ihrer Angestellten, mal eben zum Abendessen. Sie haben jeden schönen Ort der Welt gesehen und kennen jede Präsidenten-Suite der Leading Hotels of the World. Sie besitzen Immobilien in den teuersten Städten, Privatjets und historische Kunstschätze. Sie haben alles. Nur eines nicht: Ruhm. Niemand kennt sie. Sie sind ganz alleine mit ihren 10.000 Dollar Zigarren und dem echten Picasso im Gästeflügel.

Look At Me!

Für viele Superreiche ist das gut so. Sie wissen, dass immenser Reichtum immer auch Begehrlichkeiten weckt und würden am liebsten irgendwo in Arizona auf einem traumhaften Anwesen leben, weit ab von der Zivilisation und abgesichert wie der Wohnsitz eines Drogen-Kartellchefs. Andere dagegen sind narzisstischer. Sie können nicht verwinden, dass 16-Jährige Mädchen mit nicht viel mehr als langen Beinen und einer Handykamera heute Millionen von Fans auf Social Media generieren und sich im Glanz der Haute-Couture sonnen dürfen, während sie – mit all ihren Milliarden – nicht mal beim Bäcker erkannt werden. Also, wenn sie noch selber zum Bäcker gehen.

Ein traditionsreicher Weg in den Glanz der Öffentlichkeit ist es daher, sich Zugang zu erkaufen. Auf den roten Teppichen ein und aus zu gehen, nicht weil man besonders kreativ wäre, besonders einflussreich oder zumindest besonders hübsch – nein, weil man besonders reich ist. Es ist historisch betrachtet ja immer schon so gewesen, dass Teile des Geldadels sich als Mäzene und Gönner inszenierten. Sie hielten sich Sterne-Restaurants, Luxushotels oder finanzierten talentierte Maler. Sie spendeten für Museen und Krankenhäuser und ließen auch mal einen Universitäts-Hörsaal nach ihnen benennen.

Die Mechanik der Klatschpresse

Das alles aber gibt dem inneren Drang nach Bedeutung, nach Blitzlichtgewitter, nach Titelseiten in den Klatschmagazinen nicht genug Befriedigung. 1956 heiratete Fürst Rainier III. die junge, wunderschöne US-Schauspielerin Grace Kelly. Man verknüpfte die Faszination der Königshäuser mit der Strahlkraft von Superstars. Ein fairer Deal.

Auch in Deutschland gibt es dieses Phänomen, wenn auch eine Nummer kleiner. Wer reich genug ist und nicht mehr zufrieden damit, eine lokale Größe in den Kreiszeitungen seines Heimatdorfes zu sein und für seine Bildersammlung einer kleinen Gruppe Kunstliebhabern verehrt zu werden, wird Groß-Spender bei Unicef oder Sponsor beim Bambi und flaniert fortan gemeinsam mit den Stars der Unterhaltungsbranche die roten Teppiche rauf und runter.

Money Makes The Fame Go Round

Heute tickt die Uhr vieler Milliardäre mit Geltungssucht noch genau so. Man kauft sich Fussball-Clubs und überbietet sich mit Mega-Yachten. Aber dauerhaft in den relevanten Wahrnehmungsbereich der breiten Öffentlichkeit schafft man es nur an der Seite von Schönheit und Prominenz. So wurde die Fashion-Branche zu einem Spielplatz der exotischsten Superreichen. Sie möchten gesehen werden. Sie möchten beim Dinner von Karl Lagerfeld neben Toni Garrn sitzen (und sie mit etwas Glück und dem Einsatz ihrer gesamten Ressourcen möglicherweise sogar zu einem Date überreden). Sie möchten bei der Prêt-à-porter Show von Louis Vuitton neben Beyoncé und Alicia Vikander sitzen. Sie möchten dazugehören. Einfach, weil sie zwar reicher sind als alle andern, aber auch unbekannter.

Natürlich ist das skurril. Aber andererseits schaden sie ja auch niemandem. Sie haben extrem viel Geld und wollen auf die Titelseiten der Celebrity-Magazine. Also kaufen sie sich dort ein. Das ist letztendlich auch nichts anderes, als Werbung. Unternehmen kaufen Werbeseiten für ihre Produkte in diesen Magazinen, die Superreichen kommen durch die Hintertür. Für mich ist das okay. Ich freue mich auf die Spring/Summer 2019 Saison trotzdem sehr.

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Zaster Redaktion
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