Deutscher Software-Gigant

Der Milliardenkonzern SAP

von Christoph Masurek

Der überraschende Rücktritt von SAP-Chef Bill McDermott gibt Anlass, einen genaueren Blick auf das wertvollste börsennotierte Unternehmen Deutschlands zu werfen.

Wenn heutzutage von Software und digitaler Zukunft die Rede ist, fällt fast im gleichen Atemzug das Wort Silicon Valley – der Heimatort von Google, Apple und Microsoft in Kalifornien. Von dem Städtchen Weinheim, nordöstlich von Mannheim, ist hingegen selten die Rede, obwohl hier bereits im Jahr 1972 die Weichen für Cloud-Dienste & Co. gestellt worden sind. Das lag möglicherweise an dem sperrigen Unternehmensnamen „Systemanalyse und Programmentwicklung“, der nur fünf Jahre später folgerichtig in einen etwas griffigeren Namen geändert wurde. 1977 erfolgte auch der Umzug nach Walldorf und die Umwandlung in „Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung GmbH“ – kurz SAP.

Büro statt Garage

Gegründet wurde das Software-Unternehmen nicht von Studenten in einer Garage, sondern von fünf Arbeitskollegen, die zu jener Zeit beim amerikanischen IT-Riesen IBM arbeiteten. Ihre Vision: ein Programm für Unternehmen entwickeln, dass Daten in Echtzeit verarbeitet. Klingt heute selbstverständlich, schließlich werden bei jeder Google-Suchanfrage Daten in Echtzeit verarbeitet, doch war noch vor rund vier Jahrzehnten revolutionär. Und ziemlich erfolgreich: Schon im ersten Geschäftsjahr konnten die fünf Gründer Hasso Plattner, Dietmar Hopp, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Claus Wellenreuther mit gerade einmal neun Mitarbeitern einen Umsatz von 640.000 DM erzielen.

Wachstum so schnell wie ein Computer

Die Erfolgsgeschichte von SAP ging weiter. Der Fokus des Software-Herstellers lag im Gegensatz zu den heute bekannten Unternehmen der amerikanischen Westküste nicht auf privater Anwendersoftware, sondern auf Programmen für große Unternehmen. Mit der Software sollte beispielsweise der Einkauf, die Finanzbuchhaltung oder die Rechnungsprüfung digitalisiert werden. Schon im Jahre 1982 konnte SAP mehr als 250 Kunden in ganz Deutschland für sich gewinnen und mit gerade einmal 100 Mitarbeitern einen Umsatz von 24 Millionen DM verbuchen.

1988 erfolgt der Gang an die Börse: Aus der GmbH wird eine AG und ein Arbeitgeber für 1000 Menschen – mit 70 Millionen DM Gewinn im ersten Jahr als börsennotiertes Unternehmen. Mit dem Aufkommen des Computers als Massenphänomen in den 1990er Jahren kam der Erfolg genau zum richtigen Zeitpunkt und eroberte die PCs der Büro-Welt. SAP wurde ein Konzern von Weltformat.

SAP heute

Und ist auch wortwörtlich auf der ganzen Welt verbreitet: Amerika, Australien, Asien, Europa, Afrika und Südamerika. Mit der Internationalisierung änderte sich auch die Geschäftsform: aus der AG wurde eine SE (Europäische Aktiengesellschaft). Fast 100.000 Mitarbeiter und ein Umsatz von 24,7 Milliarden Euro im letzten Jahr machen SAP auch zu einem attraktiven Arbeitgeber: Zahlreiche Mitarbeiter-Angebote wie zum Beispiel ein Aktienbeteiligungsprogramm, Eltern-Kind-Büros oder medizinische Leistungen sorgen für ein gutes Betriebsklima. In einem Ranking des Karrierenetzwerkes LinkedIn wurde SAP dieses Jahr zum wiederholten Mal zum beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands gewählt.

Auch das Geschäftsfeld wurde ein breiteres. Neben den klassischen Software-Lösungen arbeitet SAP an eigenen Forschungszentren an den Herausforderungen der Zukunft: das Internet of Things, die Blockchain-Technologie, Maschinelles Lernen und Cloud-Angebote sollen das Traditionsunternehmen für die Zukunft wappnen.

Und heute erreichte SAP einen neuen Meilenstein: Als erstes DAX-Unternehmen wird die Postion des CEOs von einer Frau übernommen, nachdem der Vorgänger Bill McDermott überraschenderweise seinen Rücktritt bekannt gab. In Zukunft wird Jennifer Morgan gemeinsam mit Christian Klein die Geschicke des Unternehmens lenken. Möglicherweise wird es ihr ja gelingen, dass man künftig Walldorf in einem Zug mit dem Silicon Valley nennt. Verdient wäre es allemal.

ein Artikel von
Christoph Masurek
Christoph studiert Politikwissenschaften in Wien und sucht noch immer vergeblich nach der Geschäftsidee, die sein Leben sowohl erleichtert als auch bereichert.