Börse leicht erklärt

Chartanalyse: Klimbim oder fundiert?

von Nils Matthiesen

Fundierte Voraussage künftiger Kursbewegungen oder fauler Zauber – was steckt hinter der Chartanalyse? ZASTER klärt auf.

Trends, 100-Tage-Linie, Schulter-Kopf-Schulter-Formationen – viele Analysten und Anleger entnehmen Aktiencharts so einiges. Und entscheiden anhand der Signale, ob sie kaufen oder verkaufen. Was aber ist an diesen „technischen Analysen“ dran? Sind sie wirklich fundiert oder doch vielmehr Hokuspokus?

Was ist Chartanalyse überhaupt?

Mithilfe von Chartanalysen versuchen Experten herauszufinden, wie sich Kurse in der Zukunft entwickeln. Dazu untersuchen sie die historischen Kursverläufe und setzen auf verschiedene Methoden (etwa Chartmuster), um daraus Trends abzuleiten. Dazu zählen zum Beispiel technische Indikatoren, die darauf hinweisen sollen, ob eine Aktie überkauft oder überverkauft ist. Zudem sind sich Chartanalysten sicher, dass Kurse ein Gedächtnis haben und demnach immer wieder auf bestimmte Schwellen oder Widerstände stoßen. Aktuell liegt der Widerstand beim DAX beispielsweise bei 12.800 Punkten. Wird diese Schwelle überwunden, sei das ein gutes Zeichen. Falls das mittelfristig nicht gelingen sollte, ist das ein schlechtes Zeichen.

Chartanalyse: Wissenschaftlich fundiert?

Viele Wissenschaftler betrachten die technische Analyse weitgehend als pseudowissenschaftlichen Unsinn. Aktienkurse seien zufällig, meint zum Beispiel der Markttheoretiker Burton Malkiel. Investoren, die sich auf technische Analysen verlassen, „werden vor allem höhere Maklergebühren zahlen“. Auch Börsenlegenden wie Warren Buffett und Peter Lynch sehen die Chartanalyse kritisch. Buffett meinte, dass die technische Analyse nicht funktioniere. Er kam damals zu dem Schluss, als er ein Diagramm auf den Kopf stellte und keine anderen Erkenntnisse erzielte wie zuvor. Für Lynch sind Charts vor allem „großartig, um die Vergangenheit vorherzusagen“. Studien geben den Kritikern recht: So überprüfte Finanzautor David Aronson mehr als 6.000 technische Regeln; keine erwies sich als sonderlich hilfreich. Eine Studie, die die Handelsaufzeichnungen niederländischer Investoren über einen Zeitraum von sechs Jahren untersuchte, kam ebenfalls zu einem negativen Ergebnis. Diejenigen, die auf technische Analysen setzen, tendierten dazu, zu viel zu handeln und zu spekulieren. Das führte dazu, dass sie eine viel schlechtere Rendite erzielten als andere Anleger.

Chartanalyse an der Börse kaum wegzudenken

Nichtsdestotrotz verlassen sich viele Anleger auf die Praxis. Und das, obwohl die Branche von zwielichtigen Gestalten unterwandert wird. Selbsternannte Chart-Gurus erkennen in Kursverläufen obskure Muster wie japanische Kerzenhalter-Diagrammmuster oder Fibonacci-Zahlen und leiten daraus fragwürdige Empfehlungen ab. Ist die Chartanalyse also kompletter Unsinn? Jein. Für die Zukunftsvorhersage ist ihr Einsatz sicher zweifelhaft. Als Analyseinstrument und Orientierungshilfe kann ein Blick auf Kursverläufe dagegen sicher nicht schaden. Dazu kommt: Aufgrund ihrer Popularität finden sie bei Anlegern starke Beachtung. Aus diesem Grund können sie also Aktionen vieler Marktteilnehmer auslösen. Insofern sind einige Kursbewegungen indirekt durch die Charttechnik beeinflusst – sozusagen wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.